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Thomas Linders "Fische":

Ein riesiger Schwarm von 90 Fischen ergießt sich über den Boden der Halle, von der schillernden Pracht sind weiße Gerippe geblieben.

Als Symbol hat der Fisch in den verschiedenen Kulturen und Religionen unterschiedliche Bedeutungen. Am häufigsten begegnet er einem hierzulande als Zeichen für den christlichen Glauben, im alten Ägypten war er ein Symbol für die Seele, im Buddhismus ein Zeichen für geistige Macht und in China ein Zeichen für Glück. Im Allgemeinen steht er für Fruchtbarkeit und das Element des Wassers.

Bei genauem Hinsehen erkennt man Fischgerippe in den verschiedensten Formen, Größen und Ausrichtungen. Denkt man dabei an Skelette, beinhaltet dies den Gedanken an Vergänglichkeit, gestrandete oder gefangene Fische, getrocknet, entsorgt, vergessen.
Bei längerer Betrachtung spürt man allerdings, dass dies den Kern nicht trifft, der Schwarm wirkt kraftvoll und lebendig.
Beobachtet man Thomas Linder bei der Arbeit, überrascht das entschiedene und hoch konzentrierte Schneiden mit der Kettensäge. Mit wenigen, präzisen Schnitten, werden die Fische aus dem Stamm befreit, der Kopf geformt, die Gräten gesägt und zum Abschluss entstehen mit zwei Bohrungen die Augen. Das Arbeiten mit der Kettensäge ist eine moderne Form des Schnitzens, der vorrangigen Technik der Holzbearbeitung, bei der das Werkstück durch die Wegnahme von Material entsteht. Dies hat zur Folge, dass jeder Schnitt sitzen muss und kaum Korrekturen möglich sind, wie z.B. bei der feineren Methode, der Arbeit mit Schnitzeisen.
Gleichzeitig ermöglicht die Arbeit mit der Kettensäge die Herstellung einer großen Stückzahl, eines ganzen Schwarms. Ohne weitere Behandlung werden die Fische dann mit weißer Farbe bemalt, so dass das Material Holz erkennbar bleibt, es aber keine "Holz"-Fische sind.

"Ich bin ein Bauer, der malt, ein Maler, der Musik macht, ein Musiker, der Holz fällt, ein Holzfäller, der Skulpturen schneidet." Thomas Linder verwendet für seine Arbeiten am liebsten Obstholz oder Eiche, aber auch andere Hölzer sind ihm recht, Hauptsache, es steckt ein Fisch drin...

Arrangiert als großes Stillleben bleiben die Fische in ihrer Symbolik vieldeutig, die Wahrnehmung entsteht im Auge und Kopf des Betrachters.


Eva Studinger, Kunsthistorikerin, Karlsruhe